Ein Plädoyer für den Stil der Alten

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Ein Plädoyer für den Stil der Alten

Thema: Unterschied zwischen Coaching und Mentoring; Kreidezeichnung auf Schiefertafel: Sprechblase mit einem Fragezeichen und Sprechblase mit einem Ausrufezeichen

Momentan befindet sich eine ganze Generation von Menschen an der Schwelle zum Ruhestand, die noch mit Brief, Fax und einer sehr persönlichen Art der Kommunikation gearbeitet hat. In einer Zeit, in der Arbeit noch nicht so verdichtet war, Kalender nicht voller Meetings waren und Raum war für das Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Das hatte Stil, und ich habe Angst, dass diese Art des Umgangs miteinander mit dieser Generation in Rente geht.

Ich würde mir wünschen, dass Mentees sich diesen Umgang und diese Verhaltensweisen bei ihren Mentoren sehr genau ansehen und sie für sich übernehmen. Denn sie sind erprobt und für gut befunden worden.

In unserer modernen Welt findet der zwischenmenschliche Kontakt oft nicht direkt, sondern indirekt statt. Messenger oder E-Mail sind ein solches Beispiel. Dadurch gehen viele Facetten der interpersonalen Kommunikation verloren.

Junge Mentees können von der Kommunikation älterer Mentoren viel lernen. Ich habe mal einige Beispiele zusammen getragen, die mir begegnet sind – einige davon trivial, andere davon so berührend, dass sie das menschliche Miteinander und den beruflichen Erfolg mehr befördert haben, als 100 E-Mails das jemals könnten.

Kleine Gesten erhalten die Freundschaft

Beispiel 1: Da ist der Kollege, der grundsätzlich anruft, anstatt E-Mails zu schreiben, wenn er in Mails keinen Vorteil sieht (beispielsweise Dateien versenden muss). Die Stimme transportiert Botschaften, die eine Mail nicht transportieren kann. Er schickt auch keine Weihnachtsgrüße per Mail. Die Grüße kommen per Post und zwar kurz nach Neujahr; mit handschriftlichen Worten. Diese Art von Timing und Wertschätzung ist für den Adressaten extrem schön.

Beispiel 2: Meine erste Chefin hat mir zu jedem Geburtstag etwas geschenkt, das sie in der Stadt eingekauft hat. Es war individuell für mich ausgesucht, schön verpackt und mit einem handgeschriebenen Glückwunsch versehen. Heute versenden wir allzuoft Glückwünsche per Mail und Geschenke als Gutschein. Wie individuell ist das noch? Wieviel Wertschätzung kommt darin noch zum Ausdruck?

Beispiel 3: Ein anderer Kollege hat sich für die jungen Mitarbeiter eingesetzt und sie gegenüber den Vorgesetzten in Schutz genommen. Er ist keiner Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen und hat den vielfach jüngeren Chefs gesagt, was die Werte des Unternehmens sind und wie sie sich als Vorbilder zu verhalten haben. Das waren Gespräche Aug‘ in Aug‘. Wer macht das heute noch?

In Erinnerung ist mir auch ein Vorgesetzter geblieben, der seinen Mitarbeitern nicht nur Freiräume eröffnet hat, sondern dem auch Hierarchien und Zuständigkeiten ziemlich egal waren. Er hatte immer das Wohl des Unternehmens und das große Ganze im Blick. Sein Alter und seine Erfahrung haben ihm gesagt, dass er das machen kann, und er war damit überaus erfolgreich. Heutzutage hängen wir fest im Hamsterrad und im kleinen Karo.

Beispiel 4: Ganz besonders berührt hat mich das Verhalten einer Kollegin, die ich unverhofft im Zug wiedergesehen habe. Wir hatten lange nicht gesprochen. Sie hat mir von einem Buch erzählt, das ich sehr spannend fand. Kürzlich war es mit einer Widmung in meinem Briefkasten. Ich habe darauf per Brief geantwortet und mich mit einer Einladung zu mir nach Hause bedankt.

Ich sage nicht, dass jeder das alles so machen soll. Ich schaffe das alles selbst nicht. Aber ich fände es schön, wenn wir wissen, dass es einen Stil des Miteinanders gibt, der auch heute in bestimmten Situationen – trotz aller Hektik und Verdichtung – noch seine Berechtigung hat. Schauen wir ihn unseren Mentorinnen und Mentoren ab!

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