Mentoring als Leidenschaft und Herausforderung

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Mentoring als Leidenschaft und Herausforderung

Foto: Mitautor Stephan Rathgeber des Buches Mentoring - Wissenswertes und Persönliches

Im Folgenden lesen Sie aus unserem kostenfreien Buch Mentoring – Wissenswertes und Persönliches den Erfahrungsbericht von Stephan Rathgeber, in dem er u. a. beschreibt, warum er gern ehrenamtlich Mentor ist.


 

In meinem Grundstudium an der Universität Erlangen-Nürnberg wurde das Fundament für meine Leidenschaft für Mentoring gelegt. Tatsächlich habe ich Politische Wissenschaften, Geschichte und Anglistik studiert. Über Kontakte geriet ich jedoch in ein Netzwerk von Wirtschaftsmathematikern an der Universität Ulm. Dort gab es ein Programm für bis zu 15 talentierte Studentinnen und Studenten pro Jahrgang. Diese wurden mit Mitgliedern des Alumni-Vereins zusammengebracht, die als Mentoren fungierten.

Als ich gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, das Mentoring-Programm in einem Nebenjob als Werksstudent zu organisieren, war ich Feuer und Flamme. Zwei ausgebildete und erfahrene Coaches kümmerten sich um die Inhalte des Rahmenprogramms, das durchaus anspruchsvolle Inhalte von Rhetorik über Präsentationstechniken bis hin zu NLP umfasste. Von da ab betreute ich mehrere Jahrgänge von Wirtschaftsmathematikern durch unser Mentoring-Programm, bis mein eigenes Studium sich dem Ende zuneigte. Um meinen ersten Job nach dem Abschluss zu bekommen, genügte es, einmal in das Netzwerk aus Mentoren und Alumni hineinzurufen. Unmittelbarer ist der Vorteil von Mentoring kaum erfahrbar.

Seit dem Studium: nie ohne Mentor

Seit dieser Zeit war ich eigentlich nie ohne Mentor. Schon meine Tante – eine erfolgreiche Bankerin und Unternehmensberaterin – füllte für mich die Rolle einer Mentorin aus. Sie war in jeder Hinsicht ein Glücksfall: menschlich wie fachlich. Sie beschäftigte sich schon weit bevor sich der Trend durchgesetzt hatte mit guter Führung. Zudem konnte ich von ihr für meine spätere eigene Rolle als Mentor etwas lernen; nämlich die Rollenklärung zwischen Familie, Freundschaft und Privatem auf der einen, und Beruflichem auf der anderen Seite. Noch heute fragt sie mich, wenn wir uns sehen, ob ich sie in ihrer Rolle als Tante brauche oder als Mentorin.

Als Werksstudent bei Siemens erhielt ich einen Mentor, der heute Kommunikations-Vorstand in einem namhaften Markenunternehmen für Unterhaltungselektronik ist. Und auch bei der ManpowerGroup, meinem aktuellen Arbeitgeber, hatte ich einen offiziellen Mentor, der zu den Vordenkern im Bereich Personal gehört.

Mittlerweile habe ich selbst zwei Mentees: einen national und einen anderen international. Einer davon ist sogar einen Monat älter als ich – daran sieht man, wie sich auch das Instrument Mentoring im Zeitalter der Digitalisierung und der sich wandelnden Anforderungen verändert.

Was ich als Mentor gebe und warum ich Mentor bin

Vor meinem persönlichen Hintergrund ist es vermutlich verständlich, dass ich als Mentor einen Teil von dem zurückgeben möchte, was ich selbst an Förderung auf meinem persönlichen und beruflichen Weg erfahren habe und noch heute erfahre. Nichtsdestotrotz stelle ich immer die Frage: What’s in it for me? Ich bin zwar ein Menschenfreund, aber kein Altruist. Ich habe bis jetzt immer von dem profitiert, was mir meine Mentees für meine Arbeit zurückgegeben haben. Ein schönes Beispiel ist mein aktueller Mentee: Er arbeitet draußen im Operativen und ist nah am Kunden. Ich sitze in der Zentrale und arbeite mit meinem Team an Digitalisierung und Marketing. Niemand kann mir besser Rückmeldung zur Qualität meiner Arbeit geben als er, der so nah am Kunden sitzt.

Mir ist es wichtig, mit Mentees zu arbeiten, die mich herausfordern – wenn auch nicht zu stark. Diese Menschen interessieren mich. Gleichzeitig ist mir klar, dass sie nicht das komplette Gegenteil dessen sein dürfen, was ich bin. Dann würde es nämlich in jedem zweiten Gespräch funken, und das wäre zu viel. Ich will gemeinsam mit meinem Mentee ja immer auch Ziele erreichen und mich nicht nur reiben. Natürlich reizt es mich, wenn Mentees mit spannenden Aufgaben zu mir kommen, die wir dann angehen können.

Ich versuche immer, sehr offen und direkt auf meine Mentees zuzugehen. Im ersten Moment sicher eher fragend, um die Situation einschätzen zu können. Da habe ich einen fast schon systemischen Ansatz und frage nach Stärken und Schwächen, dem bisherigen und dem zukünftigen Weg. Bevor ich mit einem Mentee eine klare Vereinbarung darüber treffe, wohin es geht, versuche ich, andere Perspektiven aufzuzeigen. Als Mentor bin ich nicht für Harmonie zuständig. Ich mache auch mal harte Ansagen und bringe einen Mentee dazu, seine Scheuklappen anzulegen. Schließlich muss ich Perspektiven auch verändern, wenn sie einen klaren Blick behindern. Mentoring zeigt Menschen klare Wege auf, aber eben in allen Schattierungen.

Bei Manpower haben wir ein formales Mentoring-Programm, das cross-funktional aufgebaut ist, und das von unserem Talent Management gemeinsam mit dem externen Dienstleister Cross-Mentoring Deutschland von Mario Stadelmann organisiert wird. Ursprünglich auf ein Jahr veranschlagt, haben wir es um ein Vierteljahr verlängert. Für die Auftaktveranstaltung und die Zusammenstellung der Tandems haben wir uns anderthalb Tage Zeit genommen. Seitdem treffe ich mich regelmäßig einmal im Monat mit meinem Mentee. Wenn ihn der Schuh drückt, telefonieren oder chatten wir auch zwischendurch immer mal wieder. Das Mentoring bei Manpower hat einen ganz klassischen Aufbau mit den entsprechenden Unterstützungsangeboten für Mentoren und Mentees. Zur Halbzeit gab es ein Mentoring-Bergfest; jetzt freuen wir uns schon auf die Abschlussveranstaltung und Evaluation.

Als Mentor bekomme ich nicht nur mit, wie sich mein eigener Mentee weiterentwickelt, sondern erfahre auch etwas über die Erfolge der anderen Tandems. Da ist zum Beispiel der Mentee, der sich endlich durchgerungen hat, sich intern zu bewerben und dadurch den nächsten Karriereschritt erfolgreich gegangen ist. Oder der Mentor, den sein Mentee – ein Young Professional – dazu gebracht hat, sich doch mit Facebook auseinanderzusetzen.

Natürlich gibt es in einer Mentoring-Beziehung auch schwierige Aufgaben gemeinsam zu bewältigen. Mein Mentee hat den Schritt gewagt, sein Team umzubauen und für die Zukunft leistungsfähiger aufzustellen. Das bedurfte vieler Gespräche, weil klar war, dass das nicht ohne Reibung ablaufen würde. Aber letztlich hat es funktioniert und uns beide mit Stolz erfüllt.

Mentoring ist auch Arbeit

Machen wir uns nichts vor: Mentoring ist anstrengend. Terminkalender sind heutzutage immer voll. Die zwei Stunden für einen Mentee fehlen an anderer Stelle im Job oder bei der Familie. Mentoring ist deshalb als Investment zu betrachten, für das ich mich bewusst entschieden habe. Ich komme aus der täglichen Tretmühle heraus und spreche mit meinem Mentee über etwas ganz Anderes. Das ist erfrischend und stört das Gesamtsystem des Tagesablaufs. Es zwingt mich, in anderen Bahnen zu denken, die Richtung zu wechseln und mich mit anderen Dingen auseinanderzusetzen. Das macht auf der einen Seite den Kopf frei und bringt auf der anderen Seite so viele Anregungen für den eigentlichen Job mit sich, dass sich das Investment mehr als lohnt.

Ein Beispiel: Ich hatte schon den Fall, dass mir ein Mentee eine Frage zu einem Problem gestellt hat. Noch während er gesprochen hat, habe ich realisiert, dass ich dasselbe Problem ebenfalls habe. Ich hatte nur noch nie die Zeit, mich damit ordentlich zu befassen. In der Situation musste ich das Tun. Zum Wohl meines Mentees und auch für mich.

Wir bei Manpower wissen, wie der Kampf um Talente aussieht. Mentoring wird für die Rekrutierung von Talenten immer wichtiger. Junge Berufstätige suchen sich ihre Vorbilder immer weniger in der Familie, sondern immer stärker im Beruf. Als Mentor kann ich darüber Menschen gewinnen und an mich binden. Letztlich habe ich sie dann vielleicht in meinem Team und in meiner Firma. Das ist ein enormer Pluspunkt im Kampf um Talente.

Zusammenfassend möchte ich eines sagen: Ich mag den Kontakt mit Menschen. Als Mentor ist dieser Kontakt auf intellektueller Ebene sehr fordernd möglich. Zugleich erlebe ich ihn aber auch auf menschlicher Ebene.

Die Verbindung aus beidem ist das tolle und spannende an Mentoring!

 

Portraitfoto: Mentor Stephan RathgeberÜber Stephan Rathgeber

Stephan Rathgeber leitet seit fünf Jahren die Teams Marketing, Communications & Digital bei der ManpowerGroup Deutschland und ist selbst Millennial in Führung. In seiner Rolle als Führungskraft wie auch innerhalb verschiedener Netzwerke setzt er sich täglich mit der Arbeitswelt von morgen auseinander. Seine Themenschwerpunkte sind Digitale Transformation gestalten, die Zukunft entdecken und umsetzen, Führung sowie aktives Netzwerken.

 

(Anmerkung der Karrieremacher: Stephan Rathgeber ist mittlerweile nicht mehr bei Manpower, sondern Leiter des Vorstandsressort Innovation und Digitalisierung bei der Hays AG)

 

 


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Darin lesen Sie Wissenswertes, Tipps und Tricks rund um Mentoring.
Enthalten sind u. a. dieser Erfahrungsbericht von St. Rathgeber oder jene von Lena Neumann und Peter Diekmann.

 

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