Über Grenzen an die Grenzen gehen

Rezension: Und was, wenn alle merken, dass ich gar nichts kann? Impostor-Phänomen (Ausschnitt des Buchdeckels)
Rezension: Und was, wenn alle merken, dass ich gar nichts kann? Das Impostor-Phänomen
20. Juni 2018
Kreidezeichnung auf Schiefer von 4 Köpfen mit gekreuzten Pfeilen
Leseprobe: Wie wird man Mentor?
4. Juli 2018

Über Grenzen an die Grenzen gehen

Foto: Mitautorin Susanne C. Steiger des Buches Mentoring - Wissenswertes und Persönliches

Im Folgenden lesen Sie aus unserem kostenfreien Buch Mentoring – Wissenswertes und Persönliches den Erfahrungsbericht von Susanne C. Steiger, in dem sie u. a. beschreibt, warum sie gern ehrenamtlich Mentor ist und welche Erfahrungen sie beim deutsch-arabischen Mentoring gemacht hat.


Viele von uns kennen es aus der Universität: Im ersten Semester bekommt man als Studentin eine Tutorin an die Seite gestellt, die einem hilft, den Uni-Dschungel zu durchdringen. Für mich war es der erste nachschulische Kontakt mit einem System, das dem Mentoring durchaus vergleichbar ist. An meiner Uni gab es eine so gute individuelle Betreuung der Erstsemester, dass ich mich entschloss, im dritten Semester selbst Tutorin zu werden.

Dann passierte bei mir im Hinblick auf Mentoring lange Zeit erst einmal: nichts. Sicher hätte ich während meiner beruflichen Entwicklung an der einen oder anderen Stelle eine Mentorin gut gebrauchen können. Einzig die Verlagsbranche stand dem nicht sehr aufgeschlossen gegenüber. Vor allem in den kleinen und mittelgroßen Verlagen, für die ich arbeitete, gaben die Hierarchien den Takt vor. Und die waren damals so flach und festgefahren, dass man mit Mentoring niemanden so recht entwickeln konnte, ohne jemand anderen – meist einen Mann – von seinem Thron zu stoßen. Die Aufstiegschancen und damit auch die Chancen für Mentoring waren begrenzt; Cross-Mentoring unbekannt.

Vor etwa fünf Jahren habe ich angefangen, mich bei den Digital Media Women zu engagieren. Als Marketing- und Kommunikationsfrau mit Schwerpunkt Digitales passte das gut zu mir. Da hatte ich schon lange verstanden, dass Frauen mehr Förderung brauchen – sogar mehr, als sie selbst glauben. Die Digital Media Women und Mentoring sind zwei Seiten derselben Medaille: Mentoring macht Frauen sichtbarer und hilft ihnen, den ihnen zustehenden Platz einzunehmen. Mein Einstieg bei den Digital Media Women hatte also ein Engagement als Mentorin zur logischen Folge.

Deutsch-arabische Erfahrungen

Vor zwei Jahren engagierte ich mich daher als Mentorin bei Ouissal. Der französisch klingende, arabische Name Ouissal bedeutet „Brücke“ oder „Verbindung“ und spiegelt das Ziel des deutsch-arabischen Mentoring-Programms wider: Das Verbinden von gestandenen deutschen Unternehmerinnen mit angehenden Unternehmerinnen aus Tunesien und Marokko. Das Programm wählt insgesamt 40 deutsche, tunesische und marokkanische Unternehmerinnen aus, die über ein Jahr hinweg in Tandems gemeinsam an der Umsetzung eines Businessplans oder der weiteren Unternehmensentwicklung der Mentee arbeiten. Hierbei teilt die Mentorin ihren Wissens- und Erfahrungsschatz mit der Mentee. Sowohl Mentorin als auch Mentee müssen sich für das einjährige Mentoring-Programm bewerben.

Wir hatten einen wunderbaren viertägigen Auftakt in Tunis mit 12 Tandems, wobei wir auch die Möglichkeit hatten, die Lebensumstände unserer Mentees kennen zu lernen. Gemeinsame Workshops wechselten sich mit Arbeit in den Tandems – unter anderem an Zielen und Meilensteinen der Mentoring-Vereinbarung – ab.

Meine Mentee wollte sich als Webdesignerin mit einer Internetplattform zur Vernetzung von Kreativen und Unternehmen eine berufliche Existenz aufbauen; mein Ziel war es, sie in ihrem Unternehmertum zu stärken. Nach der Rückkehr aus Tunis haben wir unsere Mentoring-Beziehung virtuell und oftmals über Skype fortgesetzt. Zu Beginn haben wir vor allem an ihrem Business Model gearbeitet. Dabei habe ich gemerkt, dass es nicht leicht ist, über eine so große geographische aber auch kulturelle Distanz die Selbstzweifel einer Mentee auszuräumen, die unsicher ist und entsprechenden Halt sucht. Als Mentorin stößt man hier an Grenzen, wenn es darum geht, neuen Schwung in die Aktivitäten der Mentee zu bringen. Das ist via Skype einfach schwieriger als persönlich. Man muss als Mentorin über die Distanz viel konzentrierter sein, und die Mentee muss konkret formulieren können. Die tunesisch-arabische Welt kennen gelernt zu haben, war für mich eine einzigartige und spannende Chance. Ich musste mich selbst in diesem Kontext neu auf meine Stärken und Schwächen abklopfen und lernen, damit umzugehen. Die Maßstäbe sind interkulturell eben verschieden. Die Anstrengungen haben sich für mich gelohnt: Ich hatte viel Spaß, weil ich Anregungen und Ideen bekommen habe, die ich so in meinem Alltag nicht bekommen hätte.

Bei der Abschlussveranstaltung in Berlin haben die Mentees dann ihre Projekte präsentiert. Es war spannend zu sehen, welche Querverbindungen unter den Mentees entstanden sind. Meine Mentee hatte das Webdesign für eine Unternehmerin gemacht, die in ihrem Webshop Kosmetika verkaufte. Darauf war ich besonders stolz. Am Ende des Mentorings hatte sie eine klare Vorstellung über die Richtung für ihr Business. Das war für mich wichtig. In dem einen Jahr hat sie bereits ihr erstes Geld verdient, auch wenn sie damit noch nicht reich werden konnte. Wir stehen weiterhin per Facebook im Austausch. Und auch wir Mentorinnen haben untereinander noch Kontakt.

Was ich als Mentorin gebe und warum ich Mentorin bin

Ich denke, aus diesem Bericht wird deutlich, dass ich mich gerne als Mentorin für Menschen einsetze, bei denen ich eine innere Nähe spüre, und die mit einem gewissen Engagement bei der Sache sind. Mir ist es wichtig, nicht nur mein Wissen weiterzugeben, sondern auch eine kritische Form von Unterstützung, die bei meinen Mentees auf offene Ohren stoßen sollte. Ich lasse meine Mentees immer ganz viel erzählen und stelle auch eine Unmenge Fragen nach dem Wohin, dem Warum; den Vorstellungen und Erwartungen. Im Gespräch mit meinen Mentees kann ich helfen und auch Türen kann ich öffnen. Hindurchgehen müssen die Mentees dann selbst, und ich habe Freude daran, wenn sie es tun. Ich mache Mut, damit meine Mentees als Frauen wachsen und selbstbewusster ihren Platz einnehmen. Auf dass sie später selbst ihre Erfahrungen als Mentorinnen weitergeben.

 

Portraitfoto: Mentorin Susanne C. SteigerÜber Susanne C. Steiger

Susanne C. Steiger ist Dipl-Ing. Landschaftsplanung und hat einen M.A. in Internationale Medienwissenschaften. Mit Magazin-Neuentwicklungen und in Gründungsredaktionen begann sie 1997 in den Medien zu arbeiten und ist seit über 15 Jahren selbständig als freiberufliche Kommunikations-Strategin und Journalistin. Neben ihrer Tätigkeit als PR- und Marketingberatung für Verlage und Kreative hält sie Workshops zur Digitalen Reputation, moderiert Podien, BarCamps und den LiteraturCampSlam. Sie hat einen Lehrauftrag an der Medienhochschule Mittweida.

 

 

 


Fordern Sie jetzt kostenfrei unser Buch Mentoring – Wissenswertes und Persönliches an!
Darin lesen Sie Wissenswertes, Tipps und Tricks rund um Mentoring.
Enthalten sind u. a. dieser Erfahrungsbericht von Susanne C. Steiger oder jene von Lena Neumann und Peter Diekmann.

Es können keine Kommentare abgegeben werden.